Die Evolution des Programmierers

Warum uns die KI nicht ersetzt

AI Programmierung Entwicklung Zukunft

Nachdem wir unsere Ziele und den Mehrwert der KI für unser Unternehmen beleuchtet haben, kommen wir nun zu der Frage, die unsere Branche am meisten bewegt: Ersetzt mich die KI, wenn ich sie zum Programmieren einsetze? Als Softwarefirma, die sich intensiv mit diesem Werkzeug auseinandersetzt, lautet unsere klare Antwort: Nein, ganz und gar nicht. Und der Grund dafür ist fundamental – er liegt in der eigentlichen Definition unseres Jobs.

Die Evolution des Programmierers

Die Evolution des Programmierers: Warum uns die KI nicht ersetzt

Nachdem wir unsere Ziele und den Mehrwert der KI für unser Unternehmen beleuchtet haben, kommen wir nun zu der Frage, die unsere Branche am meisten bewegt: Ersetzt mich die KI, wenn ich sie zum Programmieren einsetze?
Als Softwarefirma, die sich intensiv mit diesem Werkzeug auseinandersetzt, lautet unsere klare Antwort: Nein, ganz und gar nicht. Und der Grund dafür ist fundamental – er liegt in der eigentlichen Definition unseres Jobs.

"Programmieren" vs. "Codieren": Was ist der Unterschied?

(Programmierer: Berufsbild in der betrieblichen Datenverarbeitung. Person, die Programme erstellt.)
Programmierer sind Leute, die einen Algorithmus nutzen, um ein Problem zu lösen. Das sind die Leute aus dem Mathe-LK mit den coolen programmierbaren Taschenrechnern, das ist die Tante Erna, die dem Thermomix die Anweisungskette für ein neues Rezept bereitstellt, das ist aber auch der Chefkoch in der Uni-Mensa, der mit Rezepten und Dienstplänen einen optimalen Ablauf organisiert.

Natürlich reden wir, wenn wir von Programmierern reden, in der Regel von Software- oder Anwendungsentwicklern. Und hier kommt die Codierung ins Spiel. "Coden" ist die Fähigkeit, die programmatischen Anweisungen in Maschinensprache zu übersetzen. Also ist von unseren obigen Beispielen nur noch Tante Erna übrig, die ein neues Thermomix-Rezept erstellt, gespeichert und über das Onlineportal anderen Usern geteilt hat. Die können jetzt die erstellten Anweisungen genau so auf ihrer Maschine abspielen, weil Erna sie mithilfe des Thermomix codiert hat.

Wenn wir in der Softwareentwicklung von Programmierern sprechen, meinen wir in der Regel Personen, die beides tun: Sie programmieren das Konzept und codieren es in eine Anwendung. Die KI kann gut codieren – aber sie benötigt jemanden, der das ursprüngliche Problem (das Programm) definiert. Genaue Angaben über die Coding-Qualität der KI sind schwierig, abhängig von Faktoren wie Bekanntheit der Programmiersprachen, Schwierigkeit des Problems usw. Es gibt ein paar Benchmarks, bei denen die KIs Coding-Probleme lösen müssen. Die Benchmarks SWE, Vellum und Livebench geben rund 70–80 % der Coding-Probleme als gelöst an.

All das hier ist Stand 5.10.2025 und vermutlich bald überholt.

Das Produktivitätsparadoxon:

Diese Benchmarks sind meist verfälscht da die KI's explizit auf sie trainiert werden. Wenn ich Kollegen frage, sind es meist eher gefühlt 60%. Das könnte auch daran liegen, dass KI tendenziell eher einfache Probleme löst und die schweren übrig bleiben.

"For juniors, 70% feel magical. For seniors, the last 30% is often slower than writing it clean from the start."
— Lisa Dziuba

Die Produktionssteigerung die hieraus hervor geht unterscheidet sich stark zwischen Junior und Senior. Während Junior Entwickler mit KI bis zu 41% Steigerung der Produktivität vorweisen, zeigen Studien das es bei Senior-Programmiren -19% bis +16% sind (ja MINUS).

Die Realität: Die 20/80-Regel der Top-Entwickler

Wenn man Top-Programmierer fragt, wie sie ihre Arbeitszeit verbringen, ist das Ergebnis oft überraschend. In den meisten Umfragen geben Senior-Entwickler an, dass nur etwa 20 % ihrer Zeit dem eigentlichen Schreiben von Code gewidmet sind.

Die restlichen 80 % der Arbeit bestehen aus:

  • Spezifikationsentwicklung: Das detaillierte Ausarbeiten, was die Software überhaupt leisten soll.
  • Anforderungsanalyse und Konzeption: Gespräche mit dem Kunden, Meetings und die Übersetzung von realen Problemen in maschinenlesbare Konzepte.
  • Architektur: Die Überlegung, wie die verschiedenen Komponenten am besten zusammenarbeiten.

Die Hauptarbeit eines Programmierers ist also nicht das bloße Codieren, sondern das Verstehen und Spezifizieren der realen Welt für die Maschine. KI kann fantastisch codieren, aber sie kann nicht in Meetings gehen, die Nuancen des Kunden verstehen oder die strategische Ausrichtung eines Produkts ohne menschliche Führung bestimmen.

Evolution des Programmieren

Die wahre Herausforderung: Die Kunst der Spezifikation

Dieses Ungleichgewicht erklärt, warum der Programmierer unersetzlich bleibt. Selbst wenn eine KI es theoretisch schaffen würde, Code mit einer Präzision von 100 % zu liefern (was niemals realistisch sein wird), hätte sie gerade einmal 20 % unserer Arbeit automatisiert.

Der Kern des Problems liegt in der Spezifikation. Wie OpenAI selbst erkannt hat: Die KI macht vor allem Fehler, weil die Menschen ihr unklare oder unvollständige Anweisungen geben. Man musste der KI explizit sagen, sie solle ein Menü einfügen, anstatt davon auszugehen, dass sie die Nutzererfahrung (UX) selbstständig versteht.

Unsere Aufgabe verschiebt sich also vom Code-Tipper zum Spezifikations-Architekten, der die KI präzise anleitet und ihre Ergebnisse kritisch bewertet.

Ein Paradigmenwechsel für die Junior-Klasse

Bisher sind wir "überheblichen Alten" davon ausgegangen, dass der einzig wahre Weg zum Senior-Status über das mühsame, jahrelange manuelle Codieren führt. In dieser traditionellen Laufbahn (sechs bis acht Jahre bis zum Senior) entwickelt man das Verständnis für Spezifikationen parallel zur Codierung.

Doch was passiert mit der nächsten Generation, den KI-Natives?
Vielleicht gibt es einen effizienteren Weg. Vielleicht trainieren sich junge Programmierer in Zukunft darauf, die KI zu spezifizieren und ihre Fehler zu korrigieren. Sie lernen Coding, indem sie die Bugs im KI-generierten Output finden und fixen. Sie werden von Anfang an darauf trainiert, nicht Code zu schreiben, sondern Probleme für die KI zu definieren.

Wir müssen uns fragen, ob wir nicht einfach nur überheblich in unseren alten Denkstrukturen verharren. Ein pfiffiger Kopf, der acht Jahre lang lernt, die KI perfekt zu instruieren und ihre Code-Defizite zu beheben, könnte eine ganz neue, extrem wertvolle Art von Coding- und Spezifikationskompetenz entwickeln.

Die nüchterne Wahrheit über Effizienzgewinne

Der Wandel ist massiv, doch die akute Bedrohung des Jobs ist gering.

Betrachten wir die Effizienzsteigerung realistisch:
Ihre Arbeit: Sie fällt in die 80/20-Regel. Sie verbringen 80 % mit Spezifikationen und 20 % mit Codierung.
KI-Leistung: Die KI verbessert nur den 20-prozentigen Code-Anteil. Selbst wenn sie theoretisch 80 % dieses Anteils übernimmt (was unrealistisch ist) oder realistischer nur 60 % (wie in persönlichen Schätzungen), ist der Gesamteffizienzgewinn moderat.

Das Ergebnis: Bei Top-Programmierern zeigen ernst zu nehmende Studien, dass die realistische Effizienzsteigerung durch KI im einstelligen Bereich liegt – oft nur um die 5 bis 10 Prozent.
Das bedeutet: Wir reden nicht von einer revolutionären Produktivitätssteigerung, die den Markt überschwemmt und Jobs vernichtet. Wir reden von einer willkommenen Optimierung, die uns etwas mehr Luft für die wichtigen 80 % der Arbeit verschafft.
Anstatt uns zu fürchten, sollten wir lernen, dieses mächtige, aber fehlerhafte Werkzeug zu beherrschen. Der Programmierer der Zukunft ist derjenige, der die Maschine am besten anleiten kann.


Der Artikel spiegelt meine Meinung wieder und nicht zwangsläufig die der Firma. Bei Frage an oder Korrektur Hinweisen stehe ich unter arved_oberstrass@cdemy.de zur Verfügung.

Quellen: (Last Check: 5.10.2025)

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